Besuch eines norddeutschen Selbstversorgergartens (und einer Klavierwerkstatt)

Reich tragender Pfirsichbaum mit Heumulch damit das empfindliche Fallobst weich landet

Es begab sich im Frühsommer, dass der Gatte und ich bei 55°C im Folientunnel arbeiteten, um das Geotextil auszulegen als plötzlich ein unbändiger Appetit auf ein Kaltgetränk mit Spuren von Orange auftauchte. Der Gatte begab sich auf direktem Wege zur Tanke und wurde dort von einem älteren Herren angesprochen, warum er denn so durchgeschwitzt sei.
Als die Rede auf unseren Folientunnel kam stellte sich heraus, dass dem vorbeifahrenden Herren und seiner Gattin dieser bereits aufgefallen war und ihr Interesse geweckt hatte.
Nordisch direkt und aufgeschlossen wurde gefragt, ob jetzt gleich direkt eine Gartenbesichtigung und Folientunnelbegehung möglich sei. Gesagt, getan.
Und wer ein echter Gartenenthusiast ist, dem ist es wenn überhaupt auch nur kurz peinlich, Fremde zu empfangen, während man schwitzig und dreckig ist.
Zeit zum Beschnuppern blieb nicht, denn wir stiegen direkt ein in praktische Vorführungen der besten Knotentechnik zum Tomaten Aufbinden, Fachsimpeln über Mischkulturen, Bewässerungstechniken und -notwendigkeiten, Sorten, Arten und biologisches Gärtnern und Leben im Allgemeinen.

Adressen und Telefonnummern wurden ausgetauscht und abgemacht, demnächst einen Gegenbesuch zu machen – zumal sich die Schilderungen äusserst interessant anhörten und die auf die Schnelle gezeigten Fotos unser Interesse weckten.

In den folgenden Wochen wurde telefoniert und überlegt, wann wir einen halben Tag für einen Gartenbesuch freiboxen können und neulich war es endlich soweit!

Bei strahlendem Sonnenschein und bestem Wetter sogen wir die Eindrücke dieses wunderschönen Gartens in uns auf. Hier ein Blick auf den Gemüsegarten, für den wir leider keine Zeit mehr fanden und der zum großen Teil schon abgeräumt war.

Das Gewächshaus, was sich über die gesamte lange Seite einer Scheune zieht ist wohl das Herzstück des Gemüsegartens. Viele samenfeste und aromatische Tomaten wachsen hier streng ausgegeizt und erzogen in schwindelnde Höhen.
Gewässert wird äusserst selten und wenig, ich hatte den Eindruck eines staubtrockenen Bodens bis in 10cm Tiefe – der Gärtner selber fand den Boden durchaus noch feucht genug. Interessant! Da sieht man mal wieder, wie äusserst wertvoll der Austausch und die direkte Inaugenscheinnahme ist.

Gedüngt wird mit Brennnesseljauche, die der Gärtner allerdings nicht nur pur, sondern auch mit Giersch und anderen Kräutern ansetzt. Metall wird so wenig wie möglich verwendet und Plastik gar nicht. Es fehlen Fotos von der anderen Seite der Scheune, wo ein durchsichtiges Dach weitere Tomaten und Paprikapflanzen behütet.

Hinter den Gebäuden befindet sich eine äusserst weitläufige Streuobstwiese mit allerlei Arten und Sorten. Die Baumscheiben werden mit Grasschnitt und Brennnesselschnitt dick gemulcht, trockener Grasschnitt wird zusammengerollt in die Astgabeln gelegt und dient als Unterkunft für Ohrenkneifer, die in der Nacht von hier aus auf die Jagd nach Schädlingen gehen.
Nur die Wege sind gemäht, links und rechts davon gibt es reichlich Platz im aufwachsenden Gras für Getier aller Art.

Ein wirklich großer Schwimmteich, der auch mit dem Kanu befahren werden kann rundet den wunderschönen naturnahen Bereich den hinteren Gartens ab.

Ausserordentlich beeindruckend fand ich auch die Besichtigung der Klavierwerkstatt mit Konzertflügeln, selbstspielendem Flügel und Klavieren sowie den Privatkonzerten an Klavier, Flügel und Schlagzeug.
Die Instrumente werden hier nicht nur aufgearbeitet und gestimmt sondern auch lackiert und veredelt.

Für einen absoluten Laien wie mich war vor allem hochinteressant, dass hochwertigste Konzertflügel hier noch vor der Auslieferung an spezielle Kunden verbessert werden und wie dies gemacht wird. Zahlreiche Zeitungsausschnitte zeugen dann auch von begeisterten bekannten Musikern, die hier die Klavierwerkstatt ihres Vertrauens gefunden haben.

Stellvertretend hier aber nur zwei Fotos, denn an sich geht es hier ja mehr um Gärten und Selbstversorgung.

Selbstspielender Flügel von Steinway, eine Rarität. Es gibt dazu einen ganzen Schrank voll Rollen.

Mein persönliches Aha-Erlebnis gab es allerdings im Hof der Gebäude, die eine Art Sonnenfalle darstellen. Hier steht ein älterer Pfirsichbaum, der voll mit großen, saftigen und äusserst aromatischen Früchten hängt.

Viele waren freilich schon geerntet aber dennoch war es ein beeindruckendes Bild für mich, die sich gerade dazu durchgerungen hatte, einen Pfirsichbaum zu bestellen und es damit zu versuchen. Wer weiss, hätte ich nicht lange gezaudert, sondern schon vor 5 Jahren gepflanzt, wurde ich vermutlich schon in Pfirsichen baden!

Da die empfindlichen Früchte beim Sturz vom Baum immensen Schaden nehmen würden, ist der Bereich der Baumscheibe sehr dick mit Heu gemulcht, sodass die Pfirsiche weich fallen.

Im Tausch gegen Etagenzwiebeln und Raritäten-Bohnen haben wir dann eine Stiege der Fallpfirsiche mit auf die Heimreise genommen. Was ich damit gemacht habe, berichte ich vermutlich ein anderes Mal.


Zurück bleibt der intensive und nachwirkende Eindruck eines wunderschönen, liebevoll gepflegten, sinnvoll angelegten und über viele Jahre intensiv bewirtschafteten Gartens, der vor Leben und Gesundheit strotzt und einem Gärtner, der nicht nur ein sehr interessanter und sympathischer Mensch mit Bodenhaftung ist, sondern auch vielseitig interessiert und begabt mit einer immensen Neugierde ausgestattet.
Er möchte an dieser Stelle anonym bleiben, hat sich aber mit der Veröffentlichung der Fotos einverstanden erklärt.

Vielen Dank dafür und für die tollen Eindrücke!

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6 Gedanken zu „Besuch eines norddeutschen Selbstversorgergartens (und einer Klavierwerkstatt)

  1. marliesgierls

    Das war ein wirklich toller Bericht, und ich bewundere solche Menschen, die sich mit solcher Hingabe und Erfolg dem Gärtnern widmen. Das war für Zeichen ein bestimmt wahnsinnig interessanter Austausch.
    Lieben Sonntagsgruß Marlies

    Antwort
    1. Oli@Landidylle Autor

      Schön, dass der Bericht dir gefallen hat!
      Dieser Gärtner ist meinem Eindruck nach ein Mensch, der nie seine Neugierde verliert, sich selbst immer wieder begeistern kann und seine Biografie (von der er zwischendurch immer erzählte, die ich hier aber natürlich nicht wiedergeben kann) zeigt mir, dass er alles, was er anpackt, sehr erfolgreich macht weil er mit Herzblut und Feuereifer dabei ist, Du hast also recht: ein sehr interessanter Austausch mit einem rechten Original.
      Liebe Grüße und einen schönen Sonntag, Oli

      Antwort
    1. Oli@Landidylle Autor

      Schön, dass du immerhin virtuell beigewohnt hast! Das ist ein Garten und ein Hof, wo man in jeder Ecke etwas interessantes, sinnhaftiges und einfach selbstgetüfteltes entdecken kann und ich habe die Eindrücke wirklich aufgesogen. Es freut mich, dass ich etwas von der Stimmung weitergeben konnte.
      Liebe Grüße, Oli

      Antwort
  2. eifgental

    Was für ein schöner Besuch – und was für ein schöner Bericht! Immer toll, wenn man Menschen kennenlernt, die mit gutem Erfolg einen Weg gehen, der einem (zumindest in vielen Bereichen) selbst vorschwebt. Wie schön, dass du diese Gelegenheit hattest! Und der norddeutsche Pfirsichbaum ist ja echt beeindruckend. Warme Wände sind eben Gold wert. Macht mir richtig Mut für meine (noch) klitzekleinen Nektarinenbäumchen!
    Ein wunderschönes Wochenende, Christiane

    Antwort
    1. Oli@Landidylle Autor

      … ich war voller Inspiration was nordische Pfirsiche angeht und habe direkt meinen kürzlich erworbenen Baum in eine Quasi-Sonnenfalle gepflanzt. Warme Wände sind Gold wert ja, und: manchmal muss man einfach machen und testen statt zaudern und zweifeln (Memo an mich selbst)
      Liebe Grüße, Oli

      Antwort

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