Letztes Jahr haben wir die Tomaten letztmals im Folienzelt auf der Süd-West-Seite angebaut. Sie hatten dort zwar ständig Sonne, standen geschützt, wurden nicht nass und wurden trotzdem vom Wind gelüftet – aber sie trugen kaum, kümmerten und bekamen seltsame Flecken von denen ich nicht sagen kann, ob es die Braunfäule war. Im Jahr davor hatten wir Gemüseeule zu Besuch, Raupen, die uns alles an- und abgefressen haben.
Dieses Jahr habe ich die Sorte ‚Clarita‚ von Dreschflegel, eine ‚wüchsige Neuzüchtung aus dem Freilandtomatenprojekt‘ angebaut, ausserdem Buschtomate ‚Latah‚, eine verblüffend frühe, robuste, in Idaho gezüchtete Buschtomate und die Marktomate ‚De Berao‚ angebaut von der es heisst: ‚diese alte, bis 4 m hohe Sorte bringt einen sehr hohen, allerdings späten Ertrag und ist auch im Freiland relativ krautfäuletolerant‘. Zusätzlich dazu noch Wildtomaten.
Ich begann im Spätwinter mit der Anzucht und legte im März nochmals nach. Diesmal mussten die Jungpflanzen nicht auf der eiskalten Süd-Ost-Fensterbank bibbern, sondern durften bei muckeligen 26° in einem Zimmergewächshaus am Süd-West-Fenster stehen. Im Nutzgarten wurden sie nach den Eisheiligen in ein Beet gesetzt, was eigentlich den ganzen Tag über Sonne hat und gut durchgeweht wird. Vorhandene Nässe konnte also schnell abtrocknen.
In den Boden habe ich Pflanztöpfe eingelassen, damit man tief und direkt wässern kann, ohne dass Spritzwasser die bodenbürtigen Pilze Phytophthora infestans bzw. deren Sporen auf die Blätter überträgt. Auch der Abstand zwischen den Pflanzen war groß genug.
Den Boden habe ich mit gehäckseltem Bio-Stroh gemulcht, darunter kamen die ersten Ringelblumen auf. Im weiteren verlauf haben sich die robusten Ringelblumen durch die Mulchschicht gearbeitet, die Tomatenpflanzen weiter vor potentiell infiziertem Spritzwasser von unten geschützt und waren – so denke ich – auch sonst ein guter Mischkulturpartner. (Siehe Foto)
Meine Tomatenpflanzen entwickelten sich prächtig, wurde gelegentlich mit Brennnesseljauche gedüngt und bekamen eine Handvoll Rinderdung. Ich habe hier im norddeutschen Freiland früher die ersten Tomaten geerntet, als viele Hobbygärtner in privilegierteren Lagen. Dank Mulchschicht haben die Pflanzen die Dürre in der ersten Saisonhälfte gut überstanden, alles war chic.
Dann kam der Sommermonsun. Zuerst haben die Tomaten sich wacker geschlagen, sie setzten viele, große Früchte an und ich erntete weiterhin einzelne reife. Aber irgendwann war es soweit: die ersten Blätter bekamen braune Flecken und wellten sich. Die Kartoffelpflanzen sahen – je nach Sorte mehr oder weniger – auch schon sehr angegriffen aus. Das Wetter blieb nass, zwischendurch auch gerne heiß, aber ständig und immer wieder nass. Ständig feucht-warmes Klima und ein schmackhafter Nährboden führt nicht nur an den Füßen und an der Badezimmerwand zu Schimmel, nein, auch auf meinen Tomatenpflanzen breitete sich Phytophthora infestans, diese schäbige Vernichterin rasend aus.
Es ist ein Jammer.
Der rechte Appetit will natürlich auch nicht aufkommen, wenn man diese mitgenommenen, verwelkten Pflanzen sieht. Andererseits weint das Gärtnerherz ob der Verschwendung. Da hätschelt und pflegt man monatelang (MONATE!), nur u am Ende alles zu roden und über die Biotonne zu entsorgen – damit man den Pilz ja nicht noch weiter über den eigenen Kompost verbreitet.
Ich fragte mich also (vermutlich zum ersten Mal), ob die Tomaten von Pflanzen, die an Braunfäule leiden wirklich nicht essbar sind. Eine kurze Recherche ergab: mein Instinkt berät mich mal wieder richtig. Die Gifte, die der Pilz ausscheidet werden von der Deutschen Krebsgesellschaft als krebserregend eingestuft, dadurch, dass die Tomatenfrüchte stark wasserhaltig sind, verbreitet sich das Gift im Inneren und man kann befallene Stellen also nicht einfach wegschneiden um das Problem zu lösen. Hitzestabil ist das Gift auch und selbst wenn die Frucht intakt und gesund aussieht, kann sie vergiftet sein sofern sie von einer befallenen Pflanze stammt. Na Prost Mahlzeit!
So wandert die ganze Pracht in die Biotonne, wenigstens etwas, wozu diese Zwangstonne nützlich ist. Die Wildtomaten (Humboldtii, Rote Murmel und Golden Currant) hingegen sind top gesund, liefern leckere, süße Früchte, die gar nicht mal so klein sind, wie ich befürchtete. Natürlich sind sie durch die Süße längst nicht für alle Einsatzbereiche geeignet, aber: wir haben immerhin Tomaten! Gesunde, schmackhafte und ohne schlechtes Gefühl essbare Tomaten.
Nächstes Jahr also entweder endlich ein Gewächshaus oder nur noch Wildtomaten, dann aber im ganz großen Stil – oder ich kaufe Labor-Monster-Hybrid-Tomatensaatgut aus dem Landhandel.