Ich mag keine Bolognese, mochte sie noch nie, als Kind schon mochte ich das Mundgefühl von dem krümeligen Fleisch nicht. Ragoutsauce für Lasagna bereite ich anders zu und drehe das Fleisch nochmal extra durch einen feinen Wolf. Aber der Herr des Hauses liebt Bolognese und was soll’s, er hat schon mehr für mich getan als nur etwas zuzubereiten, was er nicht mag. Also machte ich mich daran, eine Bolognese zu kochen. Und wie das so ist: man steht am Herd, sinniert, improvisiert, kreiert, hindert das Kind daran, aus Kaffeemehl Schneemänner zu bauen und kommt von Wildschweinen zu Obelix zu den Römern, zu unterworfenen Völkern, geheimnisvollen, furchterregenden Wäldern, spinnenden Römern (und dem Ursprung der Bolognese) und der Geschichte Norddeutschlands und damit zu den Parallelen. Immerhin haben weder Obelix und seine Brüder noch die Norddeutschen von den Römern erobern lassen.
Da ich die Bolognese aus Wildschweinhack gemacht habe, wurde daraus also gedanklich schnell die Verbrüderung mit den Galliern und eine ‚Anti-imperialistische Wildschwein-Bolognese mit Protest-Fliederbeersaft‘, sollen die spinnenden Römer doch ihren Rotwein alleine ins Essen kippen, wir haben Fliederbeeren! Die Wahrheit ist, dass ich italienisches Essen mit all‘ den feinen Lammgerichten, Gewürzen, satten Farben und Geschmäckern liebe. Die Wahrheit ist auch, dass mir immer mehr auffällt, dass Norddeutschland mit seinem Brauchtum, der Lebensart und vielleicht auch der Kulinarik manchmal mehr mit Skandinavien gemein hat, als mit den ehemaligen Römergebieten zu denen es derzeit gehört. Aber solcherlei Witzeleien und Gedanken sind prädestiniert dafür, missverstanden zu werden, vor allem wenn man den Hintergrund des Autors nicht genau kennt.
Also zurück zum Schwein. Kennt ihr eigentlich das Dänische Protestschwein beziehungsweise die Geschichte dahinter?
So, Schluss, da die Welt glücklicherweise bunt ist, habe ich mir erlaubt, eine besondere Bolognese zu basteln, eine, die sogar mir schmeckt und zwar exzellent!
Zutaten für die Wildschwein-Bolognese mit Fliederbeersaft (Holundersaft):
- etwa 1 Pfund Wildschweinhack*
- 2 rote Zwiebeln
- 1 Knolle chinesischer Knoblauch
- 0,5l Fliederbeersaft
- 0,8l passierte Tomaten
- 2 mittelgrosse Karotten
- etwas Salz
- Puderzucker
- 550er Weizenmehl
- etwa 3 EL Oregano
Die Zwiebeln werden gewürfelt und in Olivenöl angebraten, dann kommt das Hackfleisch dazu. Wenn das Hack angebraten ist, wird es mit etwa 2 EL Puderzucker bestäubt und ab und an zum gleichmässigen karamellisieren gewendet. Dann bestäubt man das Hack mit etwas Mehl, lässt dieses etwas einbrennen und löscht rechtzeitig aber nicht zu früh mit einem Schluck Fiederbeersaft ab. Wenn der Saft verkocht ist und das Fleisch wieder brät, löscht man wieder ab und so weiter bis der Saft verbraucht ist. Die Masse ist nun fast schwarz. Zum Schluss werden kurz die gewürfelten Karotten mitgeschmort, dann die passierten Tomaten dazu gegeben und alles gut verrührt.
Nun können fein gewürfelter Knoblauch, Oregano und Salz zugegeben werden.
Ich habe die Sauce etwa 1 Stunde köcheln, 3 Stunden ruhen und dann nochmals 30 Minuten köcheln lassen.
Das Ergebnis war unheimlich lecker, ein total runder, harmonischer Geschmack, durch den Fliederbeersaft, den Puderzucker und das Mehl ergab sich eine fruchtig-cremige Note, die allerdings nicht frisch war, sondern warm-herzhaft-geschmeidig.
Nicht im geringsten zu vergleichen mit Bolognese-Saucen, die ich bislang widerwillig getestet habe – auch von der Konsistenz des Fleisches her.
*Wir haben unser Tierchen vor dem Zerlegen gesehen und der Wildschlachter war der Meinung, dass es ’nicht mehr ganz so jung‘ war, konkret äussert sich dazu kaum jemand aber er regte dazu an, das Hack notfalls mit Rind zu mischen, so wie ich es bei den Wildschwein-Frikadellen getan habe. Gerade Hackfleisch hat ja mehr Eigengeschmack, weil es aus dem Fleisch der ausgelösten Knochen und anderen Resten besteht. Ein alter Schlachter, der nach alter Väter Sitte lange genug abhängen lässt, vielleicht einen Blick auf den pH-Wert hat und mit Liebe zum Gewerk an die Arbeit geht, kann natürlich mehr aus einem Schlachtkörper herausholen, als manch ein (Halb-)Laie, der nur sein Wildbret möglichst schnell verkaufen will.
Fazit: Sicherlich auch durch die Art der Zubereitung bedingt, hat diese Bolognese einen ganz feinen Wildschweingeschmack, überhaupt nicht aufdringlich und ich vermute, würde man es nicht dazu sagen, kämen viele Menschen nicht auf die Idee.
Dazu gab es selbst gemachte Spaghetti. Das Instrument dafür sah ich kürzlich hier und die Römer waren so nett, mir so ein Teil zur Herstellung kultivierter Lebensmittel zukommen zulassen. Eine Chitarra doppia; auf der einen Seite lassen sich Spaghetti herstellen, auf der anderen Fettucine.
Leider ging meine Experimentierfreudigkeit mit mir durch, bevor ich ein traditionelles Spaghetti-Rezept probiert habe. Ich finde es sinnvoll, zuerst die bewährte, traditionelle Methode zu testen, bevor man sich zum Experimentieren ins Neuland wagt, aber sei es drum. Dafür hatte ich eine lange, lange Zeit Spaß mit Pasta-Teig. Ich war nämlich so clever, anstatt Farina di Semola di Grano duro Hartweizenmehl (welches ich natürlich sogar im Haus hatte), normales Weizenmehl zu versuchen.
Wahrscheinlich muss man in die Bedienung dieser Gitarre ohnehin erst hineinwachsen, aber ich hatte es durch meine Experimentierwut umso schwerer, weil beides zusammenkam: ungünstiger Teig und neue Maschine. Zwischenzeitlich hatte ich sogar überlegt, aus dem Pastateig wilde Nudeln zu schneiden, aber dann siegte der Starrsinn. Nun ist diese Maschine im Haus, also wird sie auch genutzt. Basta!
Irgendwann hatte ich eine passende Konsistenz gefunden, die Saiten nachgespannt und es klappte doch noch mit den Spaghetti, am Ende hatte ich etwa 2/3 einigermassen gelungene und 1/3 komplett missratene Spaghetti.
Falls sich jemand für meinen Teig interessiert: ich nahm 400g Weizenmehl 550 und 4 komplette Eier. Die Zutaten knetete ich glatt, liess den Teig etwa 1 Stunde in ein feuchtes Tuch gewickelt ruhen und dann rollte ich ihn etwa 1 Stunde aus, um ihn auf eine Höhe von 1,5 mm zu bringen. Extrem widerspenstig die Sache. Im Endeffekt habe ich es geschafft und passende Teigfladen auf die Chitarra gelegt und mit dem Nudelholz und etwas nachhelfen mit den Händen (und den Händen des Nachwuchses) durchgedrückt.
Und nächstes Mal nehmen wir dann Hartweizenmehl, nicht wahr?
Immerhin waren die auf der Chitarra selbst gemachten Spaghetti die perfekte Basis für’s Ragù alla bolognese. Und die ‚Anti-imperialistische Wildschwein-Bolognese mit Protest-Fliederbeersaft‚ ist eines der leckersten bislang veröffentlichten Gerichte. Versprochen!
Klingt sehr lecker und sieht auch echt gut aus! Eine solche Chitarra brauch ich auch noch – man gönnt sich ja sonst nix 😉
LG Alex
Danke Alex. So ist es. 🙂 Und mit dieser Chitarra bekommt man nochmal einen anderen Bezug zum Essen finde ich. OK, bei mir war es jetzt ultra slow Food aber ich schätze, irgendwann nehme ich das Ding aus dem Schrank wie eine Reibe. Ganz selbstverständlich.
Und ja, das Essen war phänomenal. Leider kann man das hier in geschriebener Form ja nicht so deutlich machen.
LG Oli
Riesengroßes Gerät. Oder wirkt das nur so durch die kleine Kinderhand! 🙂
Liebe Grüße
Christian
Ich gerade für Dich nachgemessen: 22 x 44 cm, leider ist mein Dashboard seit geraumer Zeit nicht erreichbar, sonst hätte ich noch schnell geguckt, ob ich noch aussagefähigere Fotos habe.
So das nachher wieder funktioniert, werd ich nochmal was über die Benutzung veröffentlichen denke ich.
Liebe Grüße zurück