Juli. Die ersten Sommerferien überhaupt für unsere Tochter und die ersten „Sommerferien“ für mich seit 1995. 1995 war das letzte Schuljahr vor dem Abi und 2019 ist das letzte Kindergartenjahr für die 5-jährige – und das erste, in dem die regulären Ferientermine eingehalten werden. Waldorf und so.
Ich weiss nicht mehr wie ich es 1995 empfand, aber als Kind dauerten die Sommerferien gefühlt ewig. EWIG. Für einen Erwachsenen hingegen – vor allem sobald Kinder vorhanden sind – vergehen 6 Wochen wie im Flug, wie 2 Wochen etwa. Maximal.
Damit unsere normalerweise recht strukturierten Tage ohne den Rahmen des üblichen Pflichtprogramms nicht in planlosen Leerlauf ausarten, der Kinder freischwebend und orientierungslos Zeit und Raum überlässt, hatte ich mir für die Sommerferien eine to-do-Liste mit allerlei sinnvollen aber auch schönen Aktivitäten zusammengestellt und einen neuen Rhythmus zur Gliederung des Tages haben wir auch bald gefunden.
Da so eine Liste bei mir nichts statisches ist, sondern ich gern und reichlich dazu schreibe und dafür aber auch spontan ganz andere Dinge abarbeite, und da Garten, Kinder, Tiere und Haushalt ein hohes Maß an Flexibilität verlangen, habe ich am Ende 18 Dinge erfolgreich streichen können und 18 blieben unerledigt.
Die 18 unerledigten Dinge sind für mich schwer auszuhalten weil ich weiß, dass es entweder doch ganz schnell gegangen wäre oder eben andererseits eine schöne Aufgabe mit Erinnerungswert für die Kinder gewesen wäre. Aber auch ich lerne dazu, werde gelassener und weiß zu schätzen, dass ich 18 Dinge streichen konnte, die mir keiner mehr nehmen kann.
Sommerferien also. Einerseits eine sehr intensive und gute Zeit, in der 3 Stunden pro Tag mehr zur Verfügung standen weil die Fahrten zum und vom Kindergarten entfielen und wir uns ganz auf Tätigkeiten auf dem Hof konzentrieren konnten – andererseits unheimlich anstrengend aus Gründen, die in unserer jeweiligen Persönlichkeitsstruktur begründet liegen.
Wettermässig ist der Juli hier oben ja meist geprägt vom Sommermonsun und so war es für laaaange Zeit auch dieses Jahr. Zur Abwechslung gab es brüllend heiße, träge Sommertage, an denen man draußen kaum eine Arbeit verrichten konnte – abgesehen von den täglich wiederkehrenden Pflichten.
Und im Juli gab es einige neue Pflichten.
Beispielsweise kamen neue Küken zu uns; Schwedisch Isbar x Bielefelder Kennhuhn. Ich verspreche mir recht viel von dieser Kreuzung und bislang bin ich zuversichtlich, dass ich nicht enttäuscht werde. Der Hahn ist spalterbig und somit gibt es Küken in 2 verschiedenen Schlägen, die aber beide ziemlich hübsch sind.
Dann kamen planmässig die ‚bestellten‘ Lämmer zu uns. Es sind Abkömmlinge der Schafe vom alten Kindergarten. Ouessants, also so genannte Mini-Schafe – was gut ist wenn man kleine Kinder hat wie ich finde – und sie sind toll. Zutraulich, freundlich, handlich, lustig, erledigen ihren Job als Rasenmäher wirklich gut und wenn man von ersten Tests hinsichtlich Lücken im Zaun absieht, auch total entspannt und entspannend. Määäähr davon!
Ansonsten ging es im Juli endlich ernsthaft mit der Ernte los, es ist immer sowas von befriedigend, wenn die Mühen sich endlich auszahlen und man im Überfluss schwelgt!
Endlich können die neuen, vielversprechenden Sorten gekostet werden, über die man in langen, dunklen Winternächten recherchiert hat.
Endlich sieht man mal wieder, wie sich der Kreislauf schliesst und aus dem Samenkorn, welches man im Winter in die mit Heizmatte erwärmte Erde gelegt hatte, aus dem erst ein Keimling wurde, dann eine Jungpflanze, die gehätschelt werden musste, dann eine kräftige Pflanze mit Blüten, die man im Frühjahr morgens in die Sonne trug und abends wieder zurück ins warme Haus, wie aus diesem Samenkorn nun also eine erwachsene Pflanze wurde, die ihrerseits wieder viele Früchte mit Samen hervorbringt, um den Kreislauf des Lebens zu vollenden.
Endlich kann man wieder Berge von Erntegut nach neuen oder altbewährten Rezepten einkochen und verfeinern und dabei das gute Gefühl im Bauch haben, dass der nächste Winter ruhig kommen kann.
Endlich kann man wieder schnell noch mal eben im Garten für das Abendessen „einkaufen“ gehen.
Ach, endlich!
Sowas haben wir unter anderem daraus gemacht:
Und weil ich seit geraumer Zeit keine Gartenrundgänge mehr gepostet habe, zeige ich hier schnell eine Auswahl an Pflanzen und Beeten im Juli.
Dann gab es noch ein wunderbares Hoffest mit Jam Session, völlig entspannten Kindern, uralten Bekannten des Gatten, enthemmten rappenden Rentnern (am Teich), leckerem Essen, nicht so leckerem Bier (alles, was nicht friesisch herb ist, ist pappsüss! Das ihr das wisst.), Gleichklang bezüglich Antipathien, kommodigen Gesprächen, Atemnot wegen Lachen und all‘ dem, was ein wirklich gutes Fest ausmacht. Leider nicht bei uns.
Entgegen sämtlicher Planungen, to-do-Listen und sonstiger Vernunft, habe ich eines Tages einen unserer absoluten Schandflecken begonnen aufzuräumen. Un-fass-bar. Peinlich. Abscheulich. Nicht mein Unrat aber ich konnte es nicht mehr sehen. Ein Nachmittag Plackerei und eine Fahrt zum Recyclinghof später wurde mir klar, dass ich auch noch einige grössere Büsche zu roden habe – und nachdem der Gatte von der Arbeit nach Hause kam und sah, womit sich gelangweilte Hausfrauen so die Zeit vertreiben stand spontan der Plan … an der Stelle eine Hütte zu bauen. Leider sind solche Aktionen immer so spontan, dass ich keine vorher-nachher-Fotos habe. Ihr wäret schockiert.
Weil wir dachten, wir sparen uns mal ein wenig Zeit und kaufen einen Bausatz, dauerte die ganze Aktion dann auch gleich doppelt so lange. Wir sind beide verwöhnt weil wir sonst nur mit Baustoffhandel zu tun haben und nicht mit Baumärkten. Mit Profis kann man so einen Scheiß nicht abziehen, was der hagebaumarkt sich hier erlaubt hat.
Wir kauften eine rabattierte Hütte, bei der nur einige Bretter verfärbt sein sollten, auf mehrmalige Nachfrage wurde uns versichert, dass alle Teile vorhanden wären, nix kaputt und falls doch etwas fehlen sollte, würde es nachgeliefert werden. Ich denke die Bilder sprechen für sich, ramponiert, zerbrochen, verfärbt auch, ja. Und sowas von nicht komplett, dass wir bei 44 von etwa 80 Brettern fassungslos dem verursachenden Verkäufer auftrugen, den Scheiß wieder abzuholen. Die neu gelieferte Hütte hat nun anstatt der bestellten Doppelflügeltür nur eine einfache … Fachkräftemangel scheint echt ein Thema zu sein.
Vermutlich wird die Zwergentür aber mehr der Optik schaden als dem Zweck, für den wir die Hütte gebaut haben. Dazu später mehr.
Der Chicken Tractor ist fertig. Fast. Er müsste noch angestrichen werden – aber das ist einer der 18 Punkte, die ich nicht geschafft habe. Nachdem wir monatelang (ja, wirklich) gezaudert haben, ob wir das schwere Teil zu zweit ohne weitere Hilfsmittel an den Ort der Bestimmung verbracht bekommen – einen etwa 1m schmalen Weg am Abhang entlang – ging es plötzlich ganz schnell und mit Hilfe eines Bekannten.
Dieser Chicken Tractor ist ein riesiger Gewinn für die Versorgung von Küken, zum ‚mähen‘ des Rasens im oberen Bereich des Grundstücks und generell sowas von praktisch! Vielleicht etwas überdimensioniert für die Stelle … aber irgendwas ist ja ausnahmslos immer.
Ja. Und die Kinder? Haben sich in den neuen Rhythmus der Ferien gut eingefunden und genossen die Freispielzeiten zwischen den Mahlzeiten und Bettzeiten. So hangelt man sich durch den Tag.
Das Meer besuchen wir dann mal wenn die Touristen wieder weg sind – von dem ein oder anderen Ausflug abgesehen, spielten sich die Ferien hier ab, auch schön.
Die Tochter erntet und kocht nun (fast) selber. Und weil sie eine echte Aussteigerin ist noch bevor sie eingestiegen ist, kocht sie auf dem Stövchen. Sie pflückt Blumensträuße für den Esstisch, kann die Hühner ins Bett bringen, klettert wie ein Affe auf Bäume, schnitzt, bastelt, strickt mit der Strickliesel – und hat ein Temperament, was mich an meine Grenzen bringt.
Das Baby ist fast kein Baby mehr, läuft mit Vorliebe rückwärts, kann hochkonzentriert über 30 Minuten ‚arbeiten‘, isst riesige Mengen Obst und Gemüse, ist ein Sonnenschein – mit ebenfalls ausgeprägtem Charakter wie mir scheint.
Es ist ein gutes Leben hier. Aber wirklich keine reine Landidylle.
Hach, es ist so beruhigend, Deine Beiträge zu lesen. 🙂
Scheint ein richtig toller Sommer gewesen zu sein! Ich freu mich für Euch.
Liebe Grüße! Gabi
Vielen Dank liebe Gabi, das tut sehr gut zu hören. 🙂
Es war ein guter Sommer, ja. Aber ich habe auch oft genug gedacht: „Noch EIN Geräusch, noch EINE Dramaattacke, noch EIN EINZIGES Seil, was als Stolperfalle durch den Garten gespannt ist und nur noch EIN Tag, an dem das Haus aussieht wie nach einer Abrissparty und ich kaufe mir ein one-way-Ticket nach Kuba“
Liebe Grüße zurück
Oli
*pruuuuuuuuuuuuuuuuuuuust*…. 😀 😀 😀
Ich bin immer wieder sehr angetan von deinen Berichten – es freut mich die Entwicklung zu sehen. Es gab einmal eine Paul Klee Ausstellung, die hieß „Wachstum regt sich“ – daran war ich erinnert. Überall Leben, Wachstum und Entwicklung, einfach nur schön, vor allem weil ihr diese Energie an eure Kinder weitergebt, die das offensichtlich mit ganzem Herzen (animus) aufnehmen und leben, als ob es nichts anderes gäbe…
LG Alex
Ich bin immer wieder sehr angetan von deinen Berichten – es freut mich die Entwicklung zu sehen. Es gab einmal eine Paul Klee Ausstellung, die hieß „Wachstum regt sich“ – daran war ich erinnert. Überall Leben, Wachstum und Entwicklung, einfach nur schön, vor allem weil ihr diese Energie an eure Kinder weitergebt, die das offensichtlich mit ganzem Herzen (animus) aufnehmen und leben, als ob es nichts anderes gäbe…
LG Alex
Vielen Dank Alex!
Ja, es findet viel Entwicklung und Wachstum statt – in vielerlei Hinsicht. Und ich deine Einschätzung bezüglich der Kinder ist wohl auch sehr richtig. Ich denke, dass die beiden hier ganz wesentliche und wichtige Dinge für ihr Leben lernen und es ihre Art, die Gesellschaft, Abläufe, Ursachen, Wirkungen ‚anders‘ zu sehen, zu hinterfragen vielleicht. Gerade deswegen aber müssen wir auch schauen, dass sie neben der Käseglocke hier, auch ein wenig Parallelwelt sehen. Glaube ich. Im Prinzip bewegen wir uns derzeit zwischen 2 Käseglocken hin- und her. (Waldorf-Einrichtung und hier) und ich bin mir nicht immer sicher, ob das einfach doll das Waldorfmotto (learn to change the world) und ‚unser Ding‘ widerspiegelt, oder ob da noch was anderes bei ist. Aber da die Große sich in der ‚modernen‘, anderen Welt auch sicher und angstfrei bewegt, wenn sie damit in Kontakt kommt, haben wir es wohl doch richtig gemacht. (Das sind wahrscheinlich Gedanken, die sich jeder macht der Kinder groß zieht in dieser manchmal seltsamen Welt und dabei seinen eigenen Entwurf lebt :)) )
LG Oli
Ich finde es ganz wunderbar. Und ich finds idyllisch, ein idyllisches Leben – kein Zuckerwattenschmierigzuckrigharmoniegetränktesunrealistischweldfremdes Leben, ein echtes schönes Leben mit 18 Punkten geschafft und nicht geschafft und Vors und Zurücks. Ich mag Deine Beiträge sehr. Weil sie so ECHT sind. Und das ist echt Idylle! Bin gespannt auf weitere Berichte! Liebe Grüße, Kristina
<3<3<3 Vielen Dank!
Also der Garten entfaltet sich großartig. Ich erinnere mich noch an so Probleme mit Unkraut, es hat sich alles wunderbar eingeschwungen. Ich freu mich es zu sehen und daran teilzuhaben. Liebe Grüße!
Witzig fand ich, dass ich erst ein paar Beiträge von Eltern/Müttern las, die die Sommerferien furchtbar lang und furchtbar anstrengend fanden, allerdings nicht aus bautechnischen Gründen, sondern eben weil die liebe Jugend beschäftigt werden will. Oder eben gerade auch nicht. Klar, das hängt auch ein bißchen von den Kindern selbst und nicht zuletzt von deren Entwicklungsphase resp. Lebensalter ab. Aber nicht nur, deshalb – mit noch vergleichsweise leicht zu begeisternder junger Jugend – Bravo dafür, dass man krabbelnd und kletternd mit Mama den offenbar nicht zu kleinen Garten erkunden durfte! Übrigens, diese französischen Zwergschafe wären auch meine erste Wahl, wenn mein Garten (und die dafür gegebene Zeit) etwas ausgedehnter wäre. Warum die Hühnerkreuzung hat sich mir nicht erschlossen.