Da wir ja Vorwerkhühner halten und die überzähligen Hähne geschlachtet haben, kann es nun öfter mal naturbelassenes, bio-gefüttertes und freilaufendes Huhn geben. Beziehungsweise Hahn. Heute nennt man das wohl ‚Bruderhahn‘ und fühlt sich besser dabei als früher, als man vorübergehend vergessen hatte, dass die Nachtzucht zu einem guten Teil männlich ist. Obwohl Vorwerks Zweinutzungshühner sind und demnach eine anständige Legeleistung haben und trotzdem Fleisch ansetzen, kann man die Schlachtkörper natürlich nicht mit denen von Fleischrassen vergleichen – geschweige denn von Masthybriden.
Zusätzlich war dieser Hahn noch recht jung als er geschlachtet wurde. Probate Methoden, um so einen Gockel schön zart und schmackhaft zu bekommen sind daher immer beliebt bei uns. Neulich stiess ich bei einer meiner viel zu selten gewordenen Exkursionen durchs kulinarische Internet auf den Beitrag ‚Brine it like Heston| Das perfekte Brathähnchen‚. Superlative machen mich entweder stutzig oder neugierig, in diesem Fall lasen sich die Zubereitung und das Ergebnis sehr plausibel und nachahmenswürdig.
Der Hahn wurde gewaschen und getrocknet, etwa 500g Meersalz in ca. 2l kochendem Wasser aufgelöst, frisch gepresster Zitronen- sowie Orangensaft und 7EL Honig zugegeben und das Ganze mit weiteren etwa 5l kaltem Wasser aufgefüllt. Af diese Weise muss man nicht Ewigkeiten warten, bis die gesamte Wassermenge abgekühlt ist.
In die kalte Pökellake wird nun also der beschwerte Hahn gesetzt. Beschwert haben wir ihn mit einem mit Wasser gefüllten Schraubglas im Bauchraum und der muss komplett untergetaucht sein. In der Lake pökelte der Hahn nun für 18 Stunden, danach wurde er getrocknet, mit Butterflocken belegt und 5 Stunden bei 90°C gegart, nachdem er noch eine mehrfach angestochene Zitrone und Thymian laut Rezept in den Baumraum bekam.
Obwohl das Tier sehr kachektisch war, dauerte es in der Tat seine Zeit, bis die vom Autor empfohlene Kerntemperatur von 70°C erreicht war. (Laut Originalrezept sollten 60°C ausreichen.) Passend zu diesem Rezept habe ich auf einem anderen Kochblog gerade diesen Artikel gefunden, in dem es um die verschiedenen Garzustände, die Konsistenz und das Aussehen von Hühnchenfleisch geht: http://foodzeit.blogspot.de/2014/02/how-to-cook-chicken-to-perfection.html
Dort kann man lesen, dass Hühnchen bei 70°C halb gar ist und von der Konsistenz schon fest. Kurz vor zäh. Der bekannte Zwiespalt ist bei mir, wie bei wahrscheinlich vielen anderen, dass man Huhn nicht gerne roh oder halbroh isst, aber auch auf gar keinen Fall ein komplett durchgegartes, graues, zähes Ergebnis haben will. Ich habe den Braten bis 70°C erhitzt und die Brust war superzart und saftig, die mageren kleinen Beinchen allerdings schon nicht mehr so sehr. Gestern erzählte ich einem befreundeten Hühnerzüchter von dem Braten und er meinte, dass durch das Salz der Pökellake eine Kerntemperatur von 60°C ausreichen würde, um ein sicheres Lebensmittel zu bekommen.
Gut, vielleicht teste ich das nächstes Mal – und ein nächstes Mal wird es definitiv geben. Aber ich schweife ab und greife vor. Nachdem die Kerntemperatur erreicht ist, soll der Braten 45 Minuten ruhen. In der Zeit habe ich Kartoffelspalten vorbereitet und sie mit Salz und Paprika etwas scharf gewürzt und zunächst auch bei 90°C in den Ofen geschoben. Weiterer Thymian wird mit zerlassener Butter vermischt und der Hahn damit eingestrichen. Als die Kartoffeln gar waren, habe ich sie bei 250°C Oberhitze knusprig gebacken und im Anschluß auch direkt den Vogel zum Bräunen nochmals für etwa 10 Minuten hinterher geschoben.
Im Ergebnis war die Haut so knusprig, dass sie beim Anschneiden fast zersprang – ein super Ergebnis! Das Fleisch war – wie gesagt – superzart, saftig und würzig. Nur die Stelzen waren wohl zu dünn und demnach zu gar.
Ein unaufwändiges und sehr überzeugendes Mahl komplett aus dem eigenen Garten.
Ich weiß nicht, das Tierchen mag ja kachektisch gewesen sein, aber dafür sieht es auf dem Bratrost irgendwie total schön aus. Kompakt und wohlproportioniert. Diese kräftigen Flügelchen und die prachtvollen Keulen… kein Vergleich zu den pektoral überdimensionierten Mastviechern!
Und wenn’s dann auch noch schmeckt…
Ich kannte Pökeln bisher nur als Methode zur Haltbarmachung, nicht als reine Backvorbereitung, aber das liest sich so lecker, dass ich es bei Gelegenheit ganz sicher mal ausprobieren werde. Die Stelzen kann man ja vielleicht durch eine Hülle vor dem Austrocknen bewahren?
Vielen Dank für die vielen tollen Küchenideen!
Das schmeckt wirklich unvergleichlich, ich plane als nächstes einen Schweinebraten zu pökeln und freue mich jetzt schon auf den Geschmack. Genau, die Stelzen muss ich nächstes Mal einpacken, so wird man von Mal zu Mal schlauer.
Viel Erfolg und guten Appetit für dein Pökel-Experiment und vielen dank für das Kompliment!
Bin grade erst beim Review meines Rezepts auf die Verlinkung gestoßen 🙂 Na das freut mich, dass es gut geworden war – ich hab grade ein Bressehuhn bekommen, das kommt morgen dran! Schöne Grüße
Tommy
Oh, lange ist’s her. Ich habe mittlerweile einige Hähne so zubereitet und finde, es lohnt jede Minute ‚Arbeit‘. Ich gehe davon aus, dass dein Bressehuhn bereits küchenfertig ist und bin etwas neidisch. Unsere sind noch ‚auf dem Hufe‘ und sollen dieses Jahr vermehrt werden. So dann einige Hähne dabei sind, werde ich erst in vielen Monaten in den Genuss kommen, sie zu verkosten. Guten Appetit und Grüße, Oli
Jahaaa, das ist schon eine Weile her. Es gibt übrigens hier in der Nähe ein Restaurant, das nach dem Selbstversorgerprinzip arbeitet – das Forsthaus Strelitz. Wir waren noch nicht dort, aber das steht auf der to-do Liste. Nicht wenige Berliner nehmen da sogar die Anreise von 1-1,5h in Kauf.
Ja, das Bressehuhn ist natürlich küchenfertig und kommt heute Abend in die Lake. Schade, dass ich euren Blog nicht schon früher entdeckt habe. Gefällt mir sehr gut.
Herzliche Grüße
Tommy
Ich habe nun ein wenig nach dem Forsthaus Strelitz geschaut: was für ein wunderschöner Ort! Tolles Konzept, klare Linie anscheinend. Das vermerke ich direkt im Hinterkopf, sollte ich da mal vorbeikommen wird das besucht.
Danke für deine Anerkennung übrigens, eine bunte Mischung aus Themen und wer sich für das echte interessiert, wird zufrieden sein.
Liebe Grüße, Oli