Der Januar ist kein schlechter Monat, um Judasohren (Auricularia auricula-judae) zu sammeln. Nicht schlechter als jeder andere Monat zumindest – und da der gewöhnliche Selbstversorger im Winter weit weniger mit dem Garten und der Verarbeitung etwaiger Ernten zu tun hat, sondern eher mit dem Verzehr selbiger und dem Anfeuern von Öfen sowie der Lektüre von spezifischer Literatur und der Anbauplanung – ist der Januar sogar weit besser geeignet. Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis werden meine Bücherstapel kaum niedriger und auch die Anbauplanung steht noch nicht. Der Verzehr von Speisen läuft hingegen gewohnt gut und zu diesem Behufe habe ich mich mit dem Nachwuchs auf den Weg gemacht, um Nachschub zu sichern. Wenn man schon nicht erntet, kann man ja wenigstens sammeln oder jagen.
Da Judasohren bevorzugt an Holunder wachsen, haben wir die Holunderplantagen angesteuert, die der Gatte beim Rumbutschern im Sommer entdeckt hatte.
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat das Judasohr (Auricularia auricula-judae (Bull.) Wettst. 1886) zum Pilz des Jahres 2017 gewählt. Der Speisepilz hat die Form einer Ohrmuschel und ist auch für unerfahrene Pilzsammler leicht zu bestimmen. [1]
Na guck, leicht zu bestimmen, keine giftigen Doppelgänger, auch im Winter sammelbar, jede Menge Holunder vorhanden – also los.
Erst einmal habe ich aber noch die wilden Apfelbäume überprüft, von denen ich im Herbst einige Kilo geerntet hatte. Fragestellung war, ob die Bäume abgeerntet wurden und es somit noch andere Interessenten gibt, denen ich sonst in der nächsten Saison den Vortritt gelassen hätte. Aber nein, die Bäume hängen noch voll mit schrumpeligen Äpfeln und erinnern etwas an Weihnachtsbäume mit roten Kugeln geschmückt.
Entlang des Wirtschaftsweges stehen auf mehreren hundert Metern Holunder, viele bemoost, alt und schwach, der ideale Ort also, um den Schwächeparasiten Judasohr zu suchen.
Im Sommer hatte das auch wunderbar geklappt wie man hier und hier sieht, ganze Baumstämme komplett bewachsen mit Judasohren hatte ich da entdeckt und für einen späteren Zeitpunkt zur Ernte vorgemerkt. Immerhin war ich im Sommer mit dem Sammeln von Holunderblüten beschäftigt. Und wer will schon ernsthaft mit Holunderblüten aromatisierte Pilze essen?
Viele Menschen kennen einen nahen Verwandten vom Judasohr aus dem China-Restaurant. Der Pilz mit dem Namen Auricularia polytricha (Mont.) Sacc. 1885 wird als Mu-Erh oder als „Chinesische Morchel“ serviert. […] Auch in der chinesischen Medizin und in der Naturheilkunde spielt er eine wichtige Rolle. Er soll zum Beispiel das Immunsystem stimulieren und Blutungen stillen. [1]
In der Regel stellen diesem Pilz nur wenige Kenner nach. Für sie ist er nicht zuletzt deshalb eine willkommene Beute, weil dieser merkwürdig erscheinende Ganzjahrespilz mit dem ebenso merkwürdigen Namen die Lücke im pilzarmen Winter schließt. [2]
Genau das war der Plan. Da die Pilze fast beliebig oft auf ein Minimum zusammenschrumpfen und wieder aufquellen können, sieht man sie am besten nach Phasen mit feuchter Witterung – so wie im Sommer. Die 2 Tage direkt vor unserem Pilz-Spaziergang hatte es zwar auch geregnet, anscheinend reichte das aber nicht, um die Judasohren ausreichend aufquellen zu lassen.
Gemeinhin liest man zwar, dass bei ausreichend feuchten Bodenverhältnissen die Pilze fast immer gut aufgequollen sein sollen, das ist hier offensichtlich aber nicht der Fall. Links des Weges feuchte Wiesen, rechts die Spülfelder des Kanals in denen man schnell hüfthoch versinken kann. Diese Spülfelder sind im Übrigen voll mit Wildschweinen, sie finden dort optimale Deckung (und nur wenige unerschrockene Jäger bekommen von ihren Ehepartnern die Erlaubnis sind tollkühn genug, dort zu jagen) und auf der anderen Seite können sie sich des Nachts während der Saison an den Maispflanzen laben.
Klatschnasse Spülfelder, in denen man leicht versinkt voll mit Sauen – da muss Oli ja mal gucken gehen. Nur ein paar Schritte allerdings, und siehe da:
Der Boden liegt voller Kirschkerne. Kirschkerne? Ein Blick nach oben bestätigt: Ja, hier wächst eine kapitale Kirsche, im Sommer war mir der Baum nicht aufgefallen, in dieser Saison will ich dringend überprüfen, welcher Art die Früchte daran sind.
Ein paar wirklich alte, knorrige Holunder gibt es in diesem Spülfeld auch. Und hier sind auch Mini-Judasohren zu sehen. Zu klein zum ernten allerdings, aber an toten Ästen, die am feuchten Boden liegen, sind die Pilze etwas stärker aufgequollen. Kurzerhand habe ich also einige Äste ins Auto geladen und zuhause der Witterung ausgesetzt. Auf diese Weise können sie sich säubern und ich werde zu einem geeigneten Zeitpunkt davon ernten.
Der Plan ist, einige Holunderäste im eigenen Garten mit dem Myzel zu impfen und vielleicht sogar einen alten Baum im Knick. Hat sich zufällig schon einmal jemand daran versucht? Allzu schwer kann das doch eigentlich nicht sein wenn man sieht, wie zugewuchert mit Judasohren manche Holunderäste sind. Das Ziel wäre, ausreichend Ernte einzufahren, sodass ein Teil getrocknet in den Vorrat wandern kann.
Demnächst gibt es also Selbstversorger-Winteressen ‚Irgendwas mit Judasohren und selbst gekeimten Mungbohnen‚. Kleine Winterernte als Intermezzo.
[1] Deutsche Gesellschaft für Mykologie: Pilz des Jahres 2017 https://www.facebook.com/dgfmtest/posts/1653058231651426:0
[2] http://www.passion-pilze-sammeln.com/judasohr.html
Die Sache mit dem Impfen ergibt für mich Sinn, aber Du bist der Praktiker/Experte, nicht ich. Jedenfalls viel Erfolg und Glück dabei, weil… wenn sie mit den Mu-Err verschwägert sind, schmecken sie richtig gut 🙂
LG Alex
Ich teste das auf jeden Fall, einmal um der Sache willen (ich könnte mein Lebtag mit experimentieren verbringen) und dann nehmen Pilze ja nun wirklich alles mögliche an Schadstoffen auf und hier auf dem Hof weiss ich wenigstens, dass es zwar wüst aussieht, aber schadstoffmässig sauber ist. Danke also!
LG Oli
Diesen Pilz kannten wir noch gar nicht. Danke für den Tipp. Wir werden mal auf die Suche gehen. LG Katy und Effi
Gerne. Ich finde ihn allein deswegen schon interessant, weil er für Anfänger wie mich leicht zu identifizieren ist, er großen gesundheitlichen Nutzen hat, keine giftigen Doppelgänger und Holunder hier wirklich häufig ist. 4 Pluspunkte für mich, da bleib‘ ich dran. 🙂
LG Oli
Das ist wirklich spannend! Die Frage ist nur, wie du die Judasohren auf deinen Holunder impfen willst. Du bräuchtest dafür ja ein beimpftes Stäbchen für Stäbchenbrut oder Pilzbrut auf Körnern oder Stroh. Ich weiß nicht ob ein direktes Übertragen von deinen gesammelten Judasohren möglich ist. Hier hab ich allerdings einen Shop gefunden, der eine Judasohr Reinkultur verkauft. https://www.pilzzuchtshop.eu/reinkulturen/48/auricularia-polytricha-judasohr-sorte-ap18 damit müsste es möglich sein ein Myzel zum beimpfen zu ziehen 🙂
Liebe Grüße,
Jacqueline
Vielen Dank für’s mit-Überlegen liebe Jacqueline! Die Judasohr-Kultur ist wirklich interessant und teuer! Malz-Agar, HmHm.
Um ehrlich zu sein wollte ich zwar ein wenig recherchieren, ob und wie andere das machen, aber parallel einfach experimentieren. Unter anderem will ich Hobelspäne abkochen und mit etwas Pilz+Holz im Glas impfen, selbiges klassisch mit Weizen und etwas Holz + Pilze soll in direkter Nähe zu einem abgestorbenen Holunder geparkt werden. (Stroh könnte ich auch testen)
Mal sehen, was passiert. Ich finde diese Experimente ja immer hochspannend, manchmal auch frustrierend, aber an sich immer interessant.
Wenn die ganzen gruseligen Steuern und Abgaben der nächsten 6 Wochen hier mal bezahlt sind und ich wieder zu Geld kommen sollte, werde ich trotzdem mal über die Reinkultur nachdenken. Es juckt schon in den Fingern!
Liebe Grüße, Oli 🙂