Ganz schön retro und natürlich selbst gemacht: heute gab es einen Wackelpudding aus eingelagerten Zutaten. Kurz habe ich überlegt, ob ich eine süße Suppe aus der Flasche Blaubeersaft machen sollte, die ich für den baldigen Verzehr aus der Speisekammer entnommen hatte – aber Eltern von Kleinkindern werden verstehen, dass ich davon erst einmal Abstand nahm. Süße Suppen wie zum Beispiel Fliederbeersuppe mit Grießklößchen sind typisch norddeutsch und lassen sich sowohl frisch, als auch prima aus eingelagerten Zutaten herstellen.
Die Holzdielen in der Küche haben es mir also gedankt, dass es anstatt Blaubeersuppe eine Götterspeise aus Blaubeersaft gab. Angedickt wurde ganz klassisch mit Sago.
Nicht, dass Tapioka hier wachsen würde, aber der Norddeutsche war schon immer beweglich im Geiste und flexibel bei seinen Unternehmungen. Ob Stippvisite im nahen Lindisfarne oder Handelsverkehr mit dem fernen Orient, trotz aller Heimatverbundenheit schätze man hier von je her die guten Dinge, die das Leben bunter machen.
Beim Perlsago gilt die Faustregel, dass man pro 1l Flüssigkeit 100g Sago benötigt wenn die Speise fest werden soll. Ich nahm noch etwas mehr weil ich den Wackelpudding gerne bombenfest haben wollte.
Zutaten & Zubereitung für etwa 6 Portionen Blaubeer-Götterspeise (ohne Gelatine). Auf retro könnte man auch Kaltschale dazu sagen
- 125g Perlsago (wer es nicht schnittfest möchte, nimmt 80-100g)
- 1l Blaubeersaft
- 150g Zucker
- 75ml Zitronensaft
Der Blaubeersaft wird erhitzt, Zucker und Zitronensaft eingerührt und aufgelöst. Das ganze sanft aufkochen und Sago unter rühren einrieseln lassen. Nun sollte man für etwa 20 Minuten am Herd bleiben, denn die Masse muss fast ständig gerührt werden, damit die Sagoperlen nicht am Boden ansetzen. Die Konsistenz wird schnell dickflüssiger. Sind alle Sagoperlen soweit aufgequollen, dass sie nicht mehr wie Froschlaich aussehen, kann der Wackelpudding in die endgültige Form gefüllt werden. Dort sollte er nun komplett auskühlen und dabei schnittfest werden.
Bei uns gibt es dazu ebenfalls ganz klassisch Vanillesauce.
Zutaten für die Vanillesauce
- 500ml Milch (oder Milchersatz)
- 30g Maisstärke
- 4 gehäufte Esslöffel Vanillezucker (selbst gemacht)
Von der Milch 100ml abnehmen und den Vanillezucker sowie die Maisstärke darin gut verrühren. Die restlichen 400ml Milch aufkochen.
Die Stärke-Milch-Mischung mit einem Schneebesen einrühren und unter Rühren einmal aufkochen lassen, dann in eine Kanne füllen.
Beim Kochen der Vanillesauce habe ich mal wieder darüber sinniert, wie es dazu kam, dass jedwede Fertigprodukte mit Vanille-Aroma gelblich sind. Ich denke, es hat wohl damit zu tun, dass nach alter Mütter Sitte noch ein Eigelb an Saucen und Breie gehört, welches diese dann gelb färbte. Irgendwie muss im Laufe der Industriefraßifizierung dann die Assoziation Vanille = gelb entstanden sein. Hrm. Jemand eine bessere Idee?
Nun, diese Vanillesauce ist weiß, denn ich habe auf das Eigelb verzichtet. Dafür schmeckt sie nach echter Vanille und ist auch sonst schön retro.
Das nächste Mal nehme ich mir dann die Flaschen voll Waldmeistersirup aus der Speisekammer vor und sinniere darüber, warum Waldmeister-Götterspeise grün gefärbt wurde und ob & wie man das trotz echter Zutaten nachahmen kann. Und warum manch einer trotz einfachster Zubereitung eigentlich überhaupt Tüten dafür braucht.
Sieht gut aus!
Hat das einen bestimmten Grund, weswegen Du extra ‚ohne Gelatine‘ betonst bzw. ohne zubereitest?
Danke. Für mich at es keinen bestimmten Grund, ich nähme auch Gelatine, habe da ja zum Glück keinerlei religiöse oder weltanschauliche Einschränkungen. 🙂
Tatsächlich ist es hier oben so, dass früher ganz, ganz viel mit Sago angedickt wurde. Noch viel weiter zurück dann sicher eher Gelatine oder etwas vergleichbares.
Hier ist halt typisches Tiernutzungsland mit vielen Böden, die sich für nix anderes als Tierhaltung eignen und traditionell konnte man sich Vorbehalte gegen die Produkte gar nicht leisten. Du weisst ja genauso gut wie ich, wie das so ist und war 🙂
Ich betone es nur zu gerne ab und an mal wieder für diejenigen welchen.
Also: der einzige Grund ist tatsächlich, dass dieses eine sehr typisch norddeutsche Zubereitungsart ist.
LG Oli
Danke! Ich kenne Sago nicht, und hätte mir einen besonderen Vorzug in Punkto Geschmack oder Konsistenz vorstellen können, wenn früher der Luxus des Auswärtigen den Vorzug bekam. Vielleicht schaffe ich mir mal eine Packung an, denn jetzt bin ich neugierig darauf (und so wird das Zeug im Küchenschrank mehr und mehr – irgendwann wird die Küche zu klein…)
Ich habe früher mittags oft einfache Milchsuppen bekommen, wenn ich aus der Schule kam weil bei uns abends gross (warm) gegessen wurde. Da gab es dann wahlweise Grießbrei, Milchreis, Milchsuppe mit Nudeln (Sternchen oder Buchstaben) oder eben Milchsuppe mit Sago. Sago fand ich besonders toll weil die Kügelchen in dem Fall sich nicht vollständig aufgelöst hatten und durchsichtig und glibberig in der Suppe schwammen, das fand ich als Kind toll. 🙂
(Und wenn der Platz in der Küche zu klein wird, so hast du ja den Luxus einer echt knorken Speisekammer für große Mädchen! 😀 )
Industriefraßzifizierung….. herrlich, Deine Wortschöpfungen! 😀
Nicht wahr?
Merci 😀
Ich kenne Sago nur als Suppeneinlage, also Froschaugen in der Holunderbeersuppe mit Apfelstückchen. Als ich das zum ersten mal selbst gekocht habe, hatte ich kein Maß für das/den? Sago. Es ist dann schmackhafter Beton geworden. 🙂
Warum Industrie-Vanilleprodukte immer geld sind, wurde sogar mal im Fernsehen hinterfragt. Man ist dann zu dem Entschluss gekommen, dass das vielleicht mit der Farbe der Blüte zusammenhängen könnte. Ist aber auch Quatsch, finde ich.
Als ich neulich bei Schwiegermama einen „Vanillejoghurt“ gesehen/gekostet habe, war der gelb mit schon fast einem Stich ins grünliche… Nein,er war nicht verdorben, aber für mich nicht essbar. Bäh, was ein Zeug!
Mhhh so eine Fliederbeersuppe mit Apfel und Sago würde ich jetzt auch nicht ablehnen, lecker. Aber lieber nicht als Beton 😉
Ich finde es enorm, wie sehr man auf Industrienahrung reagiert, wenn man richtige Nahrung gewohnt ist. Also reagieren im Sinne von totaler Ablehnung, Pelz auf der Zunge, Krampf in den Geschmacksnerven und seltsame Erscheinungen weiter abwärts im Verdauungstrakt.
Nicht essbar, deine Einstellung teile ich.
LG Oli
Herrlich, diese Retro Süßspeise…Ich liebe das:-)
LG Alex
Ist auch was Feines und in dieser Form ja auch was Vernünftiges – und wirklich voll Retro. Vorweg gab es eine Fettaugen-Hühnersuppe und wir mussten einigermassen schmunzeln sowas im eigenen Haus zu servieren, weil wir das nur von Oma kannten bislang. 🙂
LG Oli
Tja, mit dem Abstand von vierzig bis fünfzig Jahren machen alte (und besser gekochte) Rezepte wieder Spaß!
LG Alex
Selbstgemachte Götterspeise wie bei meiner Omi – mit Sago – extra große Klasse!!
Dankeschön – hatte ich doch Sago irgendwie in meine hintersten Gehirnwindungen geschoben.
Zur Farbe:
Mein Mann liebt Vanillequark und da wir wissen wollten, welcher nun der am allerbesten schmeckende ist, habe ich eine Blindverkostung für ihn mit 5 verschiedenen Biovanillequarks gemacht.
So im nachhinein: die waren alle ein wenig gelb??
Vielleicht werden die Vanilleschoten so megafein gemahlen, das es untergemischt gelb erscheint???
LG
Bea
Danke 🙂
Ich hatte auch ein paar Jahre Sago-Abstinenz dazwischen. Als ich irgendwann wieder drauf kam, musste ich feststellen, dass es Sago mittlerweile nicht mehr in jedem Supermarkt zu geben scheint (dafür diese Fertig-Crèmes …).
Bezüglich der Farbe: wenn ich meine Schoten mahle, gibt es nur viele schwarze Punkte aber keinen Gelbstich. Hm, langsam ist mein Interesse wirklich geweckt, ich sollte einen Gewürzhöker anschreiben und fragen. 🙂
LG Oli
Ne, aus Vanilleschote gibt es nichts gelbes. Nur schwarze Punkte – mehr oder weniger fein.
Was ist ein Gewürzhöker?
Höker ist norddeutsch für Händler 🙂
Ich meine, mal gehört zu haben, dass die farbliche Erwartung daher stammt, dass man „früher“ (und im anglophonen Raum auch heute noch) häufig Vanilleessenz (statt -zucker oder -aroma) verwendet hat, also Hochprozentigen, in dem man die Schoten eingelegt hatte. Der Alkohol entzog der Vanille neben dem Geschmack auch die dunkelbraune Farbe, die in der Verdünnung dann nur noch goldbraun war und sich in der fertigen Speise dann gelblich manifestierte. Da alte Kuchen-, Pudding- usw. Rezepte aber auch gern mal zusätzlich noch Safran verlangen, könnte ich mir vorstellen, dass man schon damals (TM) mit der Farbe nicht zufrieden war… (oder einfach nur zeigen wollte, was man sich Tolles leisten konnte?)
Alternativ gibt es ja noch die oben schon erwähnte Erklärung mit der Vanilleblüte, was auch zur quietschgrünen „Waldmeister“götterspeise passt, deren Farbe einfach das leuchtende Grün von frischem Waldmeister nachahmen soll. Vielleicht ursprünglich, weil in der frischen Maibowle eben immer auch noch ein fröhliches grünes Sträußlein hing und die industrielle Variante die Farbe dann eben gleich auf die gesamte Flüssigkeit ausdehnte? Ob man diesen Farbton auf natürlichem Wege nachahmen kann, würde mich auch mal interessieren, kann’s mir aber nicht vorstellen. Also, klar kann man das grün färben, aber DIESES spezielle Grün?
Warum man trotz einfachster Zutaten Tütchen braucht, frage ich mich regelmäßig beim Anblick des meterlangen Knorr-Fertig-Gewürz-Tüten-Regals im Supermarkt. Warum braucht man Fertigmischungen für Tomatensauce, Chili con carne, …..? Warum braucht man Pülverchen für Vanillepudding, den man nun wirklich aus Basiszutaten selber zusammenquirlen kann? Vielleicht, weil viele es heut nicht mehr besser wissen. Wenn die Oma schon mit Dr. Oetker Pudding gemacht hat und die Mutter es genauso gelernt hat, wie soll die Tochter dann ahnen, dass man das auch mit Milch, Mehl, Zucker und Geschmackskomponente der Wahl machen kann?
(Womöglich hatten die Tütchen und Arömchen ja auch alle mal ihre Existenzberechtigung, als Gewürze unerschwinglich waren. Oder als die Lebensmittelmarken nie so richtig reichten und sowieso nur Eipulver, Magermilch und Maismehl hergaben. Und jetzt wollen die Firmen den Markt natürlich nicht wieder verlassen, da muss man den Leuten halt einreden, dass Hefeteig ohne „Garant“ gar nicht zu machen ist, Schlagsahne ohne „Sahnesteif“ bestimmt nicht hält und jedwedes Gericht ohne Mononatriumglutamatgewürzmischung laff schmeckt.)
So, und jetzt genug gelästert! Immerhin wäre ich auch gar nicht auf die Idee gekommen, Sago für Wackelpudding zu verwenden. Ich kannte das Zeug nur als flubschigen Froschlaich in dubiosen Milchsuppen (fanden wir damals eklig) oder aktuell als suuupercoole Bubbles im suuupercoolen Bubble Tea (finden moderne Kids offenbar nicht mehr eklig), dass das tatsächlich auch sinnvoll verwertet werden kann, wusste ich gar nicht! Wieder was dazugelernt. Dafür herzlichen Dank!
Wow! Ein Haufen guter Erklärungen! Vielen Dank für’s Mitspekulieren. An Safran hatte ich alternativ auch noch gedacht, fand Eigelb aber auch plausibel. Dein Ansatz mit der Vanilleessenz ist allerdings in der Tat auch praxisnah und könnte hinhauen. Alltagshistorie ist doch immer wieder spannend, auch wenn es um profanes geht. 🙂
Ich denke die Kommerzialisierung hat einfach keine Tabus und demnach wird hemmungslos in allen Bereichen ‚verbessert‘ und ‚vereinfacht‘, vorgekochte Kartoffeln, vorgekochter Reis, Pfannkuchenteig aus der Quetschflasche, Pudding aus der Plastikschale oder immerhin aus der Tüte, Salat aus dem Plastikbeutel, fertig gepopptes Popcorn, Wasser nur aus der Flasche sofern man Wasser noch für ein Getränk hält … es gibt bereits genug Menschen, die völlig ahnungslos sind, wie man sich selber eine noch so einfache Mahlzeit SELBER zubereiten kann. Ich finde auch nicht unbedingt, dass das Lästern ist (auch wenn ich mir manchmal wie eine Meckerziege vorkomme). Hier gehen ganz basale Dinge verloren, viele Menschen begeben sich in eine Unselbstständigkeit, die absolut alarmierend und beispiellos ist. Wir als Gesellschaft haben soviel Wissen verloren, du weisst ja selbst, wie mühsam sich unsereins manches Mal Bruchstücke dieses Wissens zurückerlangen muss. Also: ich finde nicht, dass dieses ‚lästern‘ ein schlimmes lästern ist, ein neckender Warnruf.
Und ach: von Bubble Tea habe ich mal was gehört in meinem Elfenbeinturm; dass da Sago drin ist, ist für mich jetzt ein Kulturschock. So ist jeder auf seine Weise entrückt! 😉