Es gibt diese Tage, da passt alles. Man hat den Vormittag gut genutzt*, einen Ausflug gemacht, ein paar entspannte Stunden mit der Familie verbracht und es ist trotzdem noch Zeit, durch den Garten zu streifen und zu ernten. Während der Ernte wird immer klarer, wie das Gericht daraus aussehen soll, schnell noch die Mistforke geschwungen und ein paar Kartoffeln ausgebuddelt und siehe da: es ist immer noch genug Zeit, um in Ruhe das Abendessen zuzubereiten.
Das Fleisch kommt von unseren Masthähnen, sie waren schlachtreif und da in der Voliere in der sie untergebracht waren eine Glucke sass und es am Schlupftag zu einer unschönen Situation kam … gingen sie zum nächstmöglichen Termin nach Todenbüttel. Der Ort heisst wirklich so und das mit Grund – aber das ist ein anderes Thema.
Das Fleisch kommt also von den eigenen Masthähnen, die mit Weizen und Auslauf ihre Schlachtreife erreichten. Die reiche, reiche Zwiebelernte hatte ich ja bereits vorgestellt, es sind wirklich Massen an Zwiebeln aber wir benutzen sie viel und ich bin nicht sicher, dass sie uns über’s Jahr reichen. Sie befinden sich an den Spiessen und im Salat. Den Paprikas bekam die Hitzewelle der vergangenen Wochen sehr gut und trotzdem der eigentliche Sommer also erst im September kam und die Monate davor im Wesentlichen verregnet und kühl waren, hätte die Ernte schlechter sein können.
Die Wildtomaten trugen ja ohnehin wie verrückt, aber nun reifen sie auch – was insbesondere den Nachwuchs freut. Der Rucola kam aus Fahrtrichtung Eden zu mir, beziehungsweise das Saatgut und siehe da: er lief sehr viel schneller und besser auf als der vorher gekaufte. Leider mögen meine Hühner Rucola auch sehr, aber für uns bleibt genug und über die schmackhaften und gesunden Eier nehmen wir dann ohnehin wieder am Erntekreis teil. Crema Balsamica Cassis rundete den süß-herben Geschmack des Salats perfekt ab und dass ich die Balsamicos reichlich selber herstelle, dürfte jedem Leser bekannt sein.
Die Kartoffeln sind die Sorte ‚Lady Balfour‘, unbedingt empfehlenswert, sowohl aus kulinarischer und feministischer Sicht, als auch aus Sicht des ökologischen Landbaus. Sie sind sehr cremig, groß, zuverlässig, haben viel Geschmack und Eve Balfour war wohl eine große Frau mit zukunftsweisenden Visionen, die auf altbewährtem beruhten und glücklicherweise auch umgesetzt wurden.
Der bunte Zuckermais Rainbow Inka hätte schon eher geerntet werden können. Normalerweise ernte ich den ganzen Mais auf einmal, friere ein paar Kolben zum Grillen ein und entkerne die restlichen Kolben, die Körner werden eingekocht. Besser ist es allerdings, die Kolben nach und nach zu ernten wenn sie reif sind und direkt zu verarbeiten, so süß, zart und wohlschmeckend bekommt man Zuckermais ja niemals wieder, schnell wird der Zucker zu Stärke umgebaut.
Nun war es soweit.
Die Karamellbirnen gab es als Nachspeise, sie stammen von einem Glas, welches beim Einkochen nicht zuging.
Perfekt. Besser kann es in einem Selbstversorger-Haushalt doch gar nicht laufen, oder? Es sei denn, man stellt sein Öl zum Braten noch selber her und eventuell etwas ‚La Vera‘ Paprikapulver, denn damit habe ich das Hähnchenfleisch gewürzt. Die Kartoffelspalten (sagt man das wirklich so? Ich kenne international nur den Ausdruck ‚American Potatoes‘.) habe ich hingegen nicht gewürzt, die Lady muss nicht geschminkt werden, sie besitzt innere Werte.
Um die Zubereitung im Einzelnen geht es hier aber auch nicht, sondern darum, dass dieses Gericht aus einem Selbstversorgergarten kommt, der sich nun erst im vierten Jahr befindet, von chaotischen Dilettanten mit wenig Zeit, einer großen Baustelle, einem anspruchsvollen Kind, viel Unkraut und noch mehr Optimismus bewirtschaftet wird. Es geht. Wirklich. Und wenn wir schon so fette Ernten von wirklich gutem Essen einfahren und damit uns, der Umwelt und damit allen Menschen soviel Gutes tun, dann können andere das auch. Auf dem Fensterbrett, auf dem Balkon, im Schrebergarten, auf dem Acker, im Garten von Oma Petersen, die nicht mehr so kann wie sie will, auf der Gemeinschaftsfläche … ich habe einmal an anderer Stelle geschrieben, dass jeder Kopf Salat, der nicht energieaufwändig durch die Gegend gekarrt werden muss wichtig ist. Da kann man noch hinzufügen, dass jeder Kopf Salat, den man selber anbaut, Geld und damit Lebenszeit spart, Ressourcen nicht nur in Form von Diesel auf Feld und Strasse, sondern auch bei der Produktion des Treckers, des Kühl-LKW, dem Bau des Ladens usw. spart.
Alles ist ein Kreislauf, alles ist vernetzt, niemand ist eine Insel und nichts was wir tun, bleibt ohne Folgen. Karma is a bitch – das ist sicher, ich weiss was davon und selbst wenn einem das egal ist: selbst angebaut schmeckt besser und hat mehr gute Inhaltsstoffe (wenn ihr biologisch wirtschaftet), denn so frisch bekommt man sein Essen anders nicht auf den Tisch.
Und weil jeder Salatkopf wichtig ist, ist auch ein Salatkopf ein Anfang. Niemandem ist gedient, wenn man vor der großen Aufgabe kapituliert, alles selber anbauen und am besten noch herstellen zu wollen. Toll, wenn es möglich ist, aber realistischer ist das Ziel, mit kleinen Schritten erste Erfolge zu erzielen. Gärtnern macht glücklich, probiert es aus!
Und wenn man ein richtig pedantischer Öko ist oder einfach seine Schaschlikspiesse nicht findet, weil sie in irgendeinem Umzugskarton auf dem Dachboden stehen, dann schnitzt man sich kurzerhand selber welche. An Tagen wie diesen ist das auch noch drin, versonnen in der Abendsonne auf der frisch errichteten Granitmauer zu sitzen und mit einem Schweizer Messer (HarHar!) aus Erlenzweigen (Hasel wäre besser aber ich hatte keine Lust durch den ganzen Garten zu laufen) Spiesse zu schnitzen.
Es sollte mehr von diesen Tagen geben.
*Produktive Phasen, nach denen man echte Ergebnisse sieht sind imminent wichtig für meinen Seelenfrieden. Kennt ihr das, dass man sich selbst keine Ruhe gönnt, bevor nicht wenigstens etwas geschafft ist, egal ob Wochenende oder Urlaub? (Nicht, dass ich Urlaub hätte, ich bin Frau und Mutter und Selbstversorgerin; der Ausdruck dient nur dem besseren Verständnis) 😉
Ja, kenne ich 🙂 Seit ich aus Unvereinbarkeitsgründen aufgehört habe krampfhaft eine (bezahlte) Arbeit zu suchen, habe ich aber sogar mal zwischendurch ein bisschen freie Zeit…wobei das so ungewohnt ist, dass mich dann schnell ein schlechtes Gewissen plagt und ich mich erwische, doch noch eine „wichtige“ Tätigkeit zu finden ;).
Da gibst du ein gutes Stichwort: was ist Arbeit, MUSS man arbeiten oder WILL man arbeiten und warum und wieso sitzt einem besonders dann der Teufel im Nacken und treibt einen an noch mehr zu tun, wenn man an sich schon mehr gearbeitet hat, als es der bezahlte Arbeiter tut (der auch noch Pausen hat). 🙂
Freie Zeit ist toll, Langeweile auch, und wenn man es geniessen kann umso mehr. Ich muss da noch lernen, aber das ist ein schönes Vorhaben an sich.
Danke für deinen Kommentar, er war inspirierend für mich und ich denke, dass ich dazu demnächst mal was schreibe.
LG Oli
Es ist besonders köstlich und reichhaltig bei euch zum Herbstanfang 😊
In der Tat Wili, es ist die Zeit des Füllhorns was sich immer und wieder ausschüttet. Ich bin ja von Natur aus eh das hortende Eichhörnchen aber ich glaube auch sonst sind Herbst und Winter die fetten Jahreszeiten. Schade, dass du nicht schnell auf einen selbst geschnitzten Schaschlikspiess vorbeikommen kannst. 🙂
Wow! Toll was ihr alles im Garten habt -unsere Ernte ist deutlich kleiner ausgefallen. ich hoffe, das wird nächstes Jahr besser. lg, Miriam
Es wird wahrscheinlich immer gute und weniger gute Jahre geben, aber insgesamt gesehen wird es immer besser. Und jede Ernte ist eine gute und wichtige Ernte!
Mir hat vernünftige Lektüre sicher genauso viel gebracht wie die praktische Erfahrung.
Die Herausforderung für die nächsten Jahre ist zum einen, das anbauen zu können was wir bislang schmerzlich vermissen und zum anderen, das was im Überfluss da ist auch wirklich zu essen und zu verwerten (auch wenn man ausgerechnet zum Zeitpunkt des grössten Angebots am wenigsten Lust darauf hat)
LG Oli
Ich kann Deine Freude gut nachvollziehen. Kenn ich doch auch die Freude, mit vollem Korb in die Küche zu gehen und zu überlegen, was gibt es denn heute?
Ach wie herrlich geschrieben! Sehr sympathisch und ihr macht definitiv Lust, das Selbstversorgertum mal auszuprobieren, selbst wenn es zunächst nur die kleinen Anfänge sind… 🙂
Vielen Dank für dein Lob, es freut mich sehr, wenn ich mit dem Artikel wirklich dazu beitragen kann, Schritte in diese Richtung zu unternehmen! 🙂
Zum Glück habe ich gegessen, bevor ich Deinen Beitrag gelesen habe. Sonst hätte ich jetzt die Tastatur vollgesabbert… 😀
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sein eigenes Gemüse anbauen ist, wie wenn man sein eigenes Geld druckt. Also neben den anderen Aspekten wie Geschmack, Gesundheit oder Umwelt, so muss man viel weniger Aufwand betreiben um das Geld für Nahrung über ’normale‘ Arbeit zu verdienen.
Zudem ist die Arbeit im eigenen Beet oder Blumentopf sehr viel befriedigender. Und wenn man es gerne tut, dann empfindet man es nicht als Arbeit. Immerhin ist diese Art von Arbeit nicht fremdgesteuert. Das ist das, was mich an einem normalen Job am meisten stört. Ich kann nicht frei über meine Zeit verfügen, muss tun was der Chef will, und dann passen die Arbeitszeiten nicht unbedingt zu meinem persönlichen Rhythmus. Da richte ich mich lieber nach Jahreszeit, Wetter und Tageslicht. 🙂
Ich habe gerade deinen Kommentar nochmals gelesen und festgestellt, dass ich damals gar nichts geantwortet hatte!? Das ist eher untypisch für mich aber liegt in diesem Fall vermutlich daran, dass ich nix schreiben kann ausser: genauso ist es, du sprichst mir aus der Seele.
🙂