Willkommen Juno, willkommen Sonnenwende

Die wahrscheinlich schönste Zeit des Jahres ist da denn derzeit spielt sich ein Großteil des Lebens draussen ab. Die Temperaturen hier bei uns im echten Norden sind beständig hoch wie seit Jahren nicht mehr und es gibt wenige Gründe, das Haus aufzusuchen.
Auch Touristen aus ganz Deutschland wissen die schleswig-holsteinische Lebensart, die Meere, das Klima und die vom blühenden Raps gelben Landschaften offenbar noch mehr als sonst zu schätzen. Dazu trägt vermutlich auch die bis dato bombenarme Stimmung hier oben bei. Wo hat man das noch?

Der Juni bringt uns lange, lange helle Tage und kurze Nächte, für viele Eltern tägliche Erklärungen, warum es trotzdem schon nachts und damit irgendwann einmal Zeit zum Schlafen ist und er bringt uns die Sommersonnenwende. Dieses hohe Fest erinnert uns wieder einmal daran, dass wir jeden schönen Moment auskosten sollten denn das Rad der Zeit dreht sich schneller und schneller, die Tage werden wieder kürzer und ich bedaure es sagen zu müssen, aber gefühlt schon bald wird die derzeit überbordende Natur vom Werden ins Vergehen übergehen und die dunkle Jahreszeit Einzug halten. Noch nie raste der Jahreslauf so schnell und selten überstürzten sich internationale und andere Ereignisse so sehr, dass viele schon abgestumpft resignieren und auf medialen Einfluß und Informationen verzichten.

Während die laufenden Anzuchten im Haus – und ein wenig auch die Temperaturen – es Anfang Mai noch rechtfertigten, zumindest den Schlafzimmerofen zu entzünden, damit die Pflanzen es kuschelig haben, folgte schon bald eine Hitzewelle. Alle Pflanzen, die nun auszogen, profitierten zusehends vom Licht, von der Luft, den sommerlichen Temperaturen und legten einen Wachstumsschub hin, der im Jahresverlauf seinesgleichen sucht.

Violetter Grünspargel ‚Jacquma Poupré‘ nach 3 Wochen Keimzeit im Haus am 19 Mai

Violetter Grünspargel ‚Jacquma Poupré‘ am 5 Juno

Die ganzen vorgezogenen einjährigen Pflanzen auszusäen, zu pikieren und schliesslich auszupflanzen und ihnen den Umzug angenehm zu gestalten ist ein großer Aufwand und letztlich wohl genauso arbeitsintensiv wie die Erntezeit. Ein Grund, warum ich vermehrt mehrjährige Nutzpflanzen anbaue. Vor Jahren gab es einmal einen Artikel darüber, vielleicht raffe ich mich eines Tages auf und schreibe einen neuen …

Ansonsten habe ich dieses Jahr verschiedene Bohnen-Raritäten zur Saatgutvermehrung und Verkostung angebaut, beobachte meine Experimente, investiere in die Zukunft indem ich meine alltime-favorite-Hühnerrassen ausbrüten lasse, eigenes Saatgut vermehre, anderer Leute Laub verwerte, jetzt mit dem Freischneider umgehen kann, weiterhin mit diebischer Freude hochwertige Schnäppchen mache, ernte, verarbeite und wann immer möglich, mir meine Welt mache, wie sie mir gefällt z.B. indem ich morgens um 6 ein Feuerchen in der Feuerstelle entzünde, gewandet in langer Elli, Gummistiefeln, Kleidchen, Pali und Schürze. Meine sozialen Skills werden dadurch allerdings nicht besser stelle ich fest …

Am 1 Mai begann natürlich auch das neue Jagdjahr. Der Gatte hatte eine Einladung in ein wunderschönes Revier hier in der Nähe und auch direkt Jagderfolg. Waidmanns Heil!
Der Fleischnachschub war erstmal gesichert. Weil aber auch andere auf den Geschmack gekommen sind und ein waidmännisch erlegtes und professionell verarbeitetes Stück Wild sehr zu schätzen wissen, hat es sich stillschweigend so ergeben, dass die Familientreffen hier im Hause nicht mehr bei Kaffee und Kuchen stattfinden, sondern bei gegrilltem Reh.
So trifft es sich ganz gut, dass es kurze Zeit später nochmals Nachschub aus dem hiesigen Revier gab. Nun kann man zur Jagd stehen, wie man will; Bedenkenträgern rate ich sich zu vergegenwärtigen, dass ein erlegtes Stück Wild, welches ein freies, gutes Leben hatte nicht nur nachgewiesenermassen gesünder ist als Nutztierfleisch, sondern eben auch bedeutet, dass ein Nutztier weniger gehalten, transportiert und geschlachtet werden muss.

Ebenfalls Anfang Mai waren wir zu Besuch bei der Baumfrau und haben ihren wunderbaren, ertragreichen Garten mitten in der Saison gesehen – gemeinhin nimmt der Selbstversorger und Hobbygärtner zu dieser Zeit ja selten Auszeiten, plant Ausflüge oder Urlaube. Immerhin brauchen die Pflanzen uns jetzt am nötigsten, zumindest die einjährigen.

Und weil die Landschaften in Schleswig-Holstein doch recht unterschiedlich sind, nutzten wir die Gelegenheit und wanderten durch einen verwunschenen Wald, der – wie die Baumfrau es treffend beschrieb – eher ans Mittelgebirge erinnert.


Aber auch in anderer Leute Gärten guckt man natürlich neugierig, vergleicht, fachsimpelt, tauscht und lässt sich inspirieren. Und weil sich die Dinge oftmals einfach so fügen, hatte die Baumfrau jede Menge verschiedene vorgezogene Tomatensorten ‚übrig‘ und ich plötzlich einen Folientunnel …

Dieser Garten nährt und ernährt trotz dem Schatten, den die urigen alten Bäume werfen und trotzdem sie den Boden mit ihren Wurzeln vereinnahmen. Selbstversorgergärten können die Welternährung sicherstellen und es gibt genug Stimmen die sagen, dass NUR Selbstversorgergärten und kleinteilige Landwirtschaft es langfristig vermögen. Die UN zum Beispiel.

Ich persönlich finde es aus verschiedenen Gründen, deren Ausführung diesen Beitrag sprengen würde, sehr wahrscheinlich. Ein augenscheinlicher Grund ist der Humusverlust, der seit Jahrzehnten voranschreitet und die Böden auslaugt und verwüstet. Mir stach dieses erschreckende Bild ins Auge, als ich mit dem Gatten eine Runde durchs Revier drehte.

Ausgelaugter, konventionell bewirtschafteter Acker mit frisch gestutztem Knick

In diesem Landstrich sind die Böden normalerweise schwarz. Versalzung, Humusabtrag und intensive Bewirtschaftung führen vermehrt zu diesem Bild.

Das Land der Horizonte war Schleswig-Holstein bis massiv Windmühlen gebaut wurden. Jetzt sind wir nur noch ‚Der echte Norden‘.

Und weil es so schön passt, bekommen wir die Kurve vom Negativen zum Positiven und verbinden beide Themenbereiche:

Unser kürzlich erworbener und abgebauter Folientunnel steht! Damit sollten wir endgültig die Möglichkeit haben, die Selbstversorgung für die Familie zu gewährleisten und im Rahmen der Subsistenzwirtschaft Tauschmittel zu erwirtschaften, um Milchprodukte und Fette zuzukaufen.

Auf der Terrasse neben dem Folientunnel wachsen seit einigen Jahren Beerensträucher, die wir kostenlos roden durften. Diese wurde nun mit Vlies und Steinmulch bedeckt, sodass einerseits die allgegenwärtige Quecke keine Nährstoffe mehr abziehen und Hemmstoffe abgeben kann und andererseits die Steine als Wärmespeicher dienen, so wie es schon beim Paprikaanbau vorzüglich funktioniert hat.

Auch die Wärmeabstrahlung des benachbarten Folientunnels wird in den nächsten Jahren sicherlich dazu beitragen, dass die Beerensträucher früher reifen. Schon jetzt meinen wir zu erkennen, dass beispielsweise der Holunder auf der zugewandten Seite früher blüht.

Und in knapp 130qm Fläche im Folientunnel selbst, werden wir dann hoffentlich jede Menge Tomaten ohne Braunfäule, kapitale Süßkartoffeln, Okra und Paprika anbauen können. Und Melonen. Hoffentlich.
Aber auch in die Bewirtschaftung eines Folientunnels muss man offensichtlich hineinwachsen. Schon morgens um 8 ist es hohe Zeit, die Schotten auf beiden Seiten zu öffnen, um die 40-45°C heiße Luft etwas abziehen zu lassen.

Auch sonst sind wir mittlerweile anscheinend so weit, dass neben Baustellen, Kind und Arbeit etwas mehr Routine und Professionalität einzieht und wenn es nur heisst, endlich ein Insektenschutznetz gegen den Kohlweißling zu installieren oder Zeit zum Basteln und Anmalen von Vogelhochhäusern zu haben/nehmen. Ich habe zwar längst nicht das Gefühl, erwachsen zu sein aber es gelingt mir zumindest gelegentlich vernünftige Dinge zu tun, die gerade ‚dran‘ sind.

Ein weiterer Ausflug führte uns in den Steinzeitpark in Albersdorf, der immer wieder einen Besuch wert ist und in dem es jedes einzelne Mal etwas neues zu entdecken, auszuprobieren oder zu basteln gibt, sowie Inspirationen und Aha-Effekte. Überdachte Feuerstelle!

Ebenfalls im Mai werden die in den Wiesen abgelegten Rehkitze gesucht und weggetragen beziehungsweise die Wiese durch Menschengeruch und Störung für diesen Zweck unbrauchbar gemacht, bevor die Bauern Heu machen.
Auch dieses Jahr sagte nur ein Landwirt der Jägerschaft Bescheid und glücklicherweise konnten immerhin wir uns kurzfristig für die Kitzsuche frei machen. Wir haben sehr, sehr viele Liegestellen gefunden – was nicht verwunderlich ist weil dies die letzte, nicht gemähte Wiese in der entsprechenden Gegend war – aber kein Kitz. Trotzdem ist so eine Aktion natürlich erfolgreich, denn der Menschengeruch vergrämt die Ricken und sie legen ihre Kitze rechtzeitig vor dem Schnitt woanders ab.

Trotz dem der Mai ein sehr arbeitsintensiver Monat im Garten ist, haben wir also viel Zeit für Aktivitäten ausserhalb gehabt und das ist auch gut so. Zumal alle diese Aktivitäten 100% zu unserem erwählten Lebensstil passen und somit nicht nur für Zerstreuung sondern auch zum Vervollständigen des Horizonts beitragen – wenn man das so nennen will.

Das Kind wird langsam flügge und verabredet sich nun zum Spielen. Ein neuer Lebensabschnitt für alle. Stundenweise sturmfreie Bude am Nachmittag zuhause wenn sie auswärts spielt oder geballte Verantwortung wenn hier mehrere durch den Garten toben, Blumen pflücken, Pflanzen ernten, klettern, Tiere kontaktieren wollen, Grills und Computer aus Naturmaterialien bauen und … Dinge über der kleinen Feuerstelle rösten.

Und zum Schluß noch ein wenig Cat Content (und ausnahmsweise Dog Content); Fremdkatze wird immer noch zutraulicher aber verlässt nach wie vor Hals über Kopf den Windfang, wenn man ihn betritt. So unproblematisch und schnell sie hier aufgenommen und von Heinzi akzeptiert wurde (sie musste ihn nur einmal verprügeln …), so sehr sind die beiden sich nun einig, dass nicht jeder integrierbar ist. Ihr gesträubtes Fell und die entsetzten Blicke sprachen Bände. Ich stimme da übrigens vollkommen zu und bin froh, dass die beiden sich gegen diesen Besucher entschieden haben, liefen mir bei seinem Anblick doch kalte Schauer über den Rücken, sodass ich direkt an Friedhof der Kuscheltiere denken musste.

Darauf die Ramones!
(Why is it Pet Sematary but not Pet Cemetery?)

 

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